Ein Jahr Zero Waste
Auf dem Weg in ein müllfreies Leben

Ein Leben ohne Müll – angesichts der Dinge, die wir täglich konsumieren, verbrauchen und wegwerfen, scheint die Vorstellung eines müllfreien Lebens für viele von uns geradezu utopisch: Ob der Coffee to go Becher am Morgen, die Einwegtüte im Supermarkt, das in Plastik eingeschweißte Sandwich zum Lunch oder großzügige Kosmetikverpackungen in der Drogerie – jeder Mensch in der EU produziert im Jahr durchschnittlich 477 Kilogramm Müll. Die Selbstverständlichkeit mit der wir dies tun, ist bedenklich. Doch ein Leben voller Abfall muss nicht sein. Warum ich mich dazu entschlossen habe, müllfreier zu leben und was sich in einem Jahr Zero Waste Living für mich verändert hat.

Zero Waste Banner Blumen

N A T Ü R L I C H  Z U  S E I N  I S T  D I E  S C H W I E R I G S T E  P O S E,
D I E  M A N  E I N N E H M E N  K A N N
Oscar Wilde

Eines gleich vorweg: Wildes Zitat verstehe ich im übertragenen Sinne und nicht wörtlich. Denn ein müllarmer, sprich – natürlicher Lebensstil – darf in meinen Augen nicht schwierig sein. Letztendlich soll Zero Waste Living das Leben nämlicher simpler, entspannter und vielleicht sogar ein kleines bisschen glücklicher machen. Wie das funktionieren soll?

Beginnen wir zum Beispiel mit den Dingen, die ich seit mehr als einem Jahr nicht mehr brauche: Plastikmüllsäcke, Einkaufstüten aus Papier oder Plastik, Einwegrasierer, Tampons, Duschgel, Deo, Bodylotion, Abschminktücher, Alu- und Frischhaltefolie, Küchenrolle. Wie das geht? Einige dieser Dinge stelle ich selbst her, für andere habe ich nachhaltige Alternativen gefunden. But first things first: Müll zu vermeiden oder müllfrei zu leben, war für mich nicht immer ein Thema. Um ehrlich zu sein, kannte ich lange Zeit nicht einmal den Begriff Zero Waste. Und ich schreibe bewusst, dass ich versuche, Zero Waste zu leben, da meine Zero Waste-Bilanz in vielen Bereichen noch verbesserungswürdig ist. Hier erfährst du alles über meinen Weg zu einem nachhaltigeren Leben ohne Müll.

Zero Waste Living

Warum Zero Waste Living?

Um meine persönliche Zero Waste-Reise zu beschreiben, muss ich etwas ausholen: Nach meinem Studium begann ich, als Beraterin für ein Unternehmen im Reise- und Tourismusbereich zu arbeiten. Der Job brachte häufige Dienstreisen nach Afrika und Asien mit sich. Viele der Länder, die ich besuchte, hatten mit einem enormen Müllproblem zu kämpfen: Massentourismus, fehlende Infrastruktur für Entsorgung und Recycling sowie mangendes politisches Bewusstsein für die Abfallproblematik führten dazu, dass an den schönsten Orten dieser Welt Müll häufig einfach verbrannt wurde, in der Umwelt oder im Meer landete. Unter den Menschen vor Ort gab es häufig ein starkes Bewusstsein für das Problem. Ich beobachtete über die Zeit, wie sich an unterschiedlichen Orten dieser Welt engagierte Individuen und Non-Profit-Organisationen gegen dasselbe, fortbestehende Problem einsetzten: NGOs veranstalteten Clean-Ups an Stränden und in der Natur; Umweltschutzorganisationen boten Workshops für kreatives Upcycling von Plastikmüll; nationale und internationale Freiwillige veranstalteten gemeinsam Recycling-Workshops in Schulen und Kindergärten, um schon die Jüngsten für das Thema Müllervermeidung zu sensibilisieren.

Jede dieser Initiativen gründete auf der Notwendigkeit, etwas gegen das wachsende Müllproblem weltweit zu tun. Angesichts der Ausmaße schienen die Versuche jedoch wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Zum ersten Mal in meinem Leben begriff ich die Komplexität und die Größenordnung, mit der wir es in Bezug auf das Müllproblem weltweit zu tun haben.

Minimalismus: Weniger Komplexität durch Zero Waste Living

Etwa zur selben Zeit entschloss ich mich, meinen festen Wohnsitz für einige Zeit aufzugeben und als Digitale Nomadin zu leben. Mein Beruf erlaubte es mir, örtlich sehr flexibel zu sein, was ich auch auskosten wollte. Ich lebte zu dieser Zeit in einer großzügigen Altbauwohnung im Grazer Lendviertel, in der ich mich über die Jahre sehr gemütlich eingerichtet hatte. Ich streifte gern über Flohmärkt und durch Second Hand-Läden und hatte eine Schwäche für Bücher und Dekogegenstände. In nur wenigen Jahren hatte ich ganze einhundert Quadratmeter voller Dinge angesammelt! Als ich schließlich auszog, fühlte ich mich von der Menge an Gegenständen die ich besaß, regelrecht erschlagen: Ich schien den Überblick über mein ganz persönliches Universum der Dinge verloren zu haben. Ein Neubeginn musste her: Ich beschloss, einen Großteil meines Besitzes verschenken oder zu verkaufen und nur einen kleinen Teil wertvoller Erinnerungsstücke für später aufzubewahren.  

Mit einem Schlag hatten sich meine unmittelbar verfügbaren Besitztümer auf einen einzigen Koffer reduziert. Dennoch fehlte es mir an absolut nichts. Ich vermisste weder die große Auswahl an Kleidungsstücken in meinem Schrank, noch die die zahlreichen Einrichtungsgegenstände, dich über die Jahre angehäuft hatte. An Gegenstände, von denen ich stets geglaubt hatte, ich könne ohne sie nicht leben, erinnerte ich mich schon bald gar nicht mehr. Im Gegenteil: So frei wie in diesem Moment hatte ich mich lange nicht mehr gefühlt.

Wie sich mein Konsumverhalten durch Zero Waste verändert hat

Mit dem Unterwegssein veränderte sich ganz natürlich auch mein Konsumverhalten: Aus Platzgründen kaufte ich neue Dinge nur, um alte oder kaputte zu ersetzen. Mein Leben aus dem Koffer ließ es einfach nicht zu, wie früher ungehemmt der Lust am Kaufen nachzugeben. Diese Zeit hat mich eine der wichtigsten Lektion der Zero Waste Philosophie gelehrt: Bis heute bedeutet Low Waste Living für mich insbesondere, Kaufentscheidungen aus verschiedenen Winkeln zu beleuchten und Spontankäufe zu vermeiden.

Nun, da ich diesen Beitrag verfasse, wohne ich seit gut einem Jahr wieder in Graz. Ich lebe in einer kleineren Wohnung und besitze weit weniger Dinge als früher. Zero Waste Living impliziert jedoch nicht notwendigerweise, weniger zu besitzen oder sich räumlich zu reduzieren. Und doch hat ein gewisses Maß an Minimalismus es mir möglich gemacht, mich heute ein Stück freier und glücklicher zu fühlen.

Wie Zero Waste im Alltag umsetzen?

Bei meiner Rückkehr nach Graz fragte ich mich, wie ich mein zukünftiges Leben in Bezug auf Konsum und Verbrauch gestalten sollte – und zwar so, dass es der Umwelt und dem Planeten möglichst wenig schadet. Die Antwort fand ich in der Zero Waste Bewegung. Die Idee: Anstatt Müll zu produzieren in möglichst vielen Lebensbereichen auf umweltfreundliche, wiederverwendbare Alternativen zurückgreifen.

Meine ökologischen Intentionen sollten sich jedoch nicht zu einem „Muss“ entwickeln. Denn: Zero Waste Living basiert in meinen Augen nicht auf Anstrengung oder dauerhaftem Verzicht.

Meine größte Frage zu Beginn war vor allem: Wo und wie Lebensmittel einkaufen? Denn wer schon einmal versucht hat, in einem normalen Supermarkt verpackungsfrei einzukaufen, war vermutlich schnell mit ein paar wenigen Dingen wieder draußen.

Folgende Fragen habe ich mir zu Beginn meiner Zero Waste Reise gestellt:

  • Wo kann ich umweltfreundlich einkaufen? Müllfreies Einkaufen darf nicht schwierig oder teuer sein. Im Gegenteil: Auf lange Sicht soll es dabei helfen, dir Zeit und Geld zu sparen: Erstens, weil du nachhaltige Alternativen nutzt und daher weniger Dinge kaufst. Zweitens, weil du bewusster mit den Dingen umgehst, die du schon hast und weniger verschwendest. Lebensmittelverpackungen stellten lange Zeit den größten Bestandteil meines Hausmülls dar. Leider können viele verpackungsfreie Supermärkte oder Reformhäuser, in denen müllfreies Einkaufen möglich ist, nicht mit den Preisen großer Supermarktketten mithalten. Günstigere Alternativen sind lokale Bauernmärkte oder türkische Supermärkte: Gemüse, Obst, Nüsse, Trockenfrüchte, Gewürze, Brot, Käse, Joghurt und vieles mehr gibt es hier plastik- und verpackungsfrei. Mit den eigenen Rex-Gläsern und Stoffbeuteln auf Einkaufstour zu gehen, mag sich zwar etwas gewöhnungsbedürftig anfühlen. Doch der Blick auf die eigene Müllbilanz zeigt, dass sich Umdenken definitiv lohnt.
  • Gibt es das auch nachhaltig? Einen zweiten, sehr großen Teil meines Restmülls füllten lange Zeit Kosmetika und Pflegeprodukte. Duschgels, Bodylotions, Cremes und Tuben: Dutzende Verpackungen aus Plastik, Glas oder Aluminium, die irgendwann zu entsorgen waren. Manchmal sogar, ohne sie vorher restlos zu verbrauchen. Ich hatte es satt, Pflegeprodukte zu benutzen, die ich oft sogar saisonal wechseln musste, weil sie meine Haut zwar im Sommer gut versorgten, aber im Winter nicht ausreichten. Mein Badezimmer hat in meinem ersten Zero Waste Jahr daher wohl das größte Makeover erhalten: Die meisten meiner Pflegeprodukte, darunter Seifen, Bodylotion und Gesichtscreme, Deo und Öle zur Gesichtsreinigung stelle ich mittlerweile selbst her. Für vieles davon brauche ich nicht mehr Zutaten, als ich ohnehin schon in meiner Küche vorfinde. Ein positiver Nebeneffekt: Ich entscheide selbst, welche Inhaltsstoffe in meinen Pflegeprodukten enthalten sind. Wusstest du, dass es für eine reichhaltig pflegende Bodybutter eigentlich nicht mehr als zwei Zutaten braucht? Für alle, die ihre Pflegeprodukte nicht selbst herstellen wollen, gibt es mittlerweile viele nachhaltige Alternativen: Wiederverwendbare Kosmetikpads aus Bambus anstelle von Wattepads, Deo-Roll-Ons in Kartonverpackungen, Shampoo-Bars oder die gute alte Seife anstelle von Duschgels und Shampooflaschen aus Hartplastik. Sie alle helfen dabei, Müll zu sparen, ohne dass du dafür auf Komfort verzichten müsstest!
  • Gibt es das auch gebraucht? Viele meiner Kleidungsstücke, Möbel und Einrichtungsgegenstände habe ich auf Flohmärkten oder Second Hand gekauft. Aus meinem ganz persönlichen Universum der Dinge weiß ich: So viele Gegenstände existieren bereits und müssen nicht notwendigerweise neu produziert werden. Mit etwas Fantasie und Muße für die Recherche kannst du ausgemusterten Gegenständen ganz einfach zu einem zweiten Leben verhelfen.

Mein Fazit nach einem Jahr Zero Waste

Keinen Müll zu produzieren, kann sich unglaublich bereichernd anfühlen. Der Versuch, bewusster zu konsumieren, reduziert das Maß der persönlichen Kaufentscheidungen und kann dazu führen, dass man sich leichter und freier fühlt. Dennoch: Auch nach einem Jahr ist meine Zero Waste-Bilanz in vielen Bereichen noch verbesserungswürdig. In Zukunft möchte ich noch mehr darüber lernen, wie sich Umweltschutz und ein „moderner“ Lebensstil durch Zero Waste Living auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Nicht immer fällt es mir in meinem Alltag leicht, Beruf, Beziehung und Sozialleben zu vereinbaren und dabei die richtigen Entscheidungen zugunsten eines müllvermeidenden Lebens zu treffen.

Von missionarischem Eifer – mir selbst und anderen gegenüber – sehe ich jedoch entschieden ab, gerade wenn es darum geht, Zero Waste als Lebensphilosophie dauerhaft umzusetzen: Denn nur wenn Zero Waste Living Freude bereitet und einen Mehrwert für das eigene Leben bringt, kann die Umsetzung im Alltag auch nachhaltig funktionieren – davon bin ich überzeugt.

Ich freue mich, auf diesem Blog Raum für Zero Waste Ideen zu schaffen und inspirierende Erfahrungen mit allen zu teilen, die lernen möchten, mit weniger mehr Zero Waste zu leben.

Eure Katharina